Von Thomas Sellmeir – Eigentlich hätten wir uns über die Beschlussfassung, insbesondere von TOP 3-6 freuen können. Der Ausbau von Freiflächen-PV-Anlagen stellt einen sinnvollen Baustein dar, um die Energiewende zu schaffen.
Nur hatte dieses Projekt schon eine längere Vorgeschichte, die das Freisinger Tagblatt im Artikel „Nach bizarrer Vorgeschichte: Bis dato abgelehnte PV-Freiflächenanlage darf gebaut werden“ zusammengefasst hat.
Eines der vielleicht in den letzten Monaten umstrittensten, vielleicht für unsere Umwelt und Energiewende wichtigsten, vielleicht für unsere Bürgerinnen und Bürger polarisierendsten Themen. Quasi „durchgewunken“.
Vier Tagesordnungspunkte ohne Diskussion. Von einstimmig DAGEGEN (Januar 2020) auf MIT EINER GEGENSTIMME DAFÜR (Juli 2020) in neun Minuten öffentlicher Sitzung.
„Gab’s da nix drüber zu reden?“ mögen sich vielleicht Zuhörerinnen und Zuhörer auf dieser Sitzung oder auch die Bürgerinnen und Bürger gefragt haben.
„Wie kam es zu diesem Sinneswandel?“ wurde ich von unseren MitBürgerinnen und Mitbürger mehrfach gefragt. Zu Recht.
Das lag allerdings nicht daran, dass es nichts zu diskutieren gegeben hätte, denn immerhin haben 8 von 9 Gemeinderäten, die im Gremium 2014/2020 saßen ihre Meinung geändert. Dass ein solcher Sinneswandel nicht ohne Diskussion von statten geht, dürfte wohl auch jedem klar sein.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung gehört zu den wesentlichen Verfahrensbestimmungen des Gemeinderechts. Er hat die Funktion, dem Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit des Gremiums und der einzelnen Mitglieder zu Verschaffen.
„Es gilt mehr denn je verständlich zu machen, aus welchen Gründen und mit welcher Zielsetzung die konkrete Entscheidung dem Wohl der Menschen dient.“ oder „Dem Interesse der Öffentlichkeit soll bereits in der Phase der Entscheidungsfindung besser Rechnung getragen werden„, kann jeder der Marzlinger Gemeinderäte im von der Gemeinde dankenswerterweise überreichten Taschenbuch für Gemeinde- und Stadträte in Bayern nachlesen.
In dieser Sache haben wir Entschieden. Ja!
Aber eine wichtige Aufgabe der Demokratie haben wir nicht geschafft und sind wir den Bürger*Innen auch schuldig geblieben: WARUM?
Wir haben versprochen, uns verstärkt für das Recht unserer Bürger*Innen einzusetzen, und auch wenn uns das in diesem Fall nicht gelungen ist: Es darf nicht weitergehen, dass wir den einfachsten Weg gehen, sondern wir sollten das tun, was wir unseren Bürgerinnen und Bürgern schuldig sind und was wir vor wenigen Monaten versprochen haben, auch wenn es bedeutet neue Wege gehen zu müssen.
Das Öffentlichkeitsprinzip ist keine Theorie sondern muss gelebte Praxis werden, denn die Entscheidungsfindung ist mindestens genauso wichtig wie das Ergebnis selbst.
Dann können wir uns freuen, wenn Bürgerinnen und Bürger mit Interesse an den Sitzungen teilnehmen und nicht nur vor vollendete Tatsachen gesetzt werden, so wie es hier erfolgt ist.
“Ist das die neue Bürgernähe?” hat sich bereits vorab eine Bürgerin in einem Leserbrief in den lokalen Zeitungen enttäuscht gefragt, die nach der Sitzung vom 18.06. resümiert hat: “In Marzling bleibt alles so wie es ist. Das haben wir schon immer so gemacht.”
Die Diskussionsintensität bei öffentlichen Sitzungen sollte direkt proportional zur Relevanz der Themen sein. Alles andere widerspricht den Grundwerten einer gelebten Demokratie und ist das denkbar stärkste Misstrauensvotum gegenüber unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern die uns für eins gewählt haben: unsere Meinung.